Keller-Sutter im Auge des Sturms – das AHV-Drama in 5 Akten
Die Ausgangslage
Es geht beim Multimilliarden-Debakel rund um die Bankenrettung schon fast vergessen: Beim Bund droht in den nächsten Jahren ein Defizit von bis zu 3 Milliarden Franken aufgrund von erwarteten Mehrausgaben für den Asylbereich, für die Prämienverbilligung sowie für höhere Schuldzinsen. Auch die Krippenfinanzierung, der Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative und die Erhöhung der Armeeausgaben schlägt zu Buche.
Der Bundesrat will also sparen. Und Karin Keller-Sutter möchte den Sparhammer auch bei der AHV ansetzen.
Die Bombe platzt
Am Abend vor der Bundesratssitzung vom Mittwoch hat der «Tagesanzeiger» über einen Sparvorschlag der Finanzministerin berichtet: Keller-Sutter will den Beitrag an die AHV vorübergehend reduzieren, um 190 Millionen Franken im Jahr zu sparen.
Bereits am Sonntag erwähnte Keller-Sutter in einem Interview gegenüber der «NZZ», dass bei der AHV gespart werden könnte: «Die Ausgaben allein für die AHV machen inzwischen rund 17 Prozent des Bundesbudgets aus. Wir werden auch hier ansetzen müssen.»
Die Empörung
Der Plan löste in der Öffentlichkeit und in den sozialen Medien ein grosses Echo aus und es hagelte Kritik. Sehr viel Kritik.
Vor allem auf Twitter von links bis rechts sorgte das mögliche Sparpaket für Frust. Dies aus zwei Gründen: Einerseits hat der Bund und die SNB vor rund 10 Tagen angekündigt, dass sie sich im Ernstfall bei der CS-Rettung mit 200 Milliarden Franken engagieren würden, und andererseits weil die Schweizer Stimmbevölkerung vor rund einem halben Jahr die AHV-Reform angenommen hat.
Kennt ihr das? Die Moment im Leben wo man nicht weiss ob man lachen, schreien oder weinen soll… #CreditSuisse #KKS pic.twitter.com/FKN8aGFGRm
— Cédric Wermuth (er/ihm) (@cedricwermuth) March 29, 2023
Auch Gerhard Pfister von Die Mitte äussert sich zum möglichen Sparplan:
Vorschlag zur Güte: Bundesrätin Keller - Suter holt sich die vorgesehenen 90 Mio CS Boni, dann muss sie nur noch sonstwo 29 Mio auftreiben, um die steuerzahlenden AHV Bezüger-/innen in Ruhe zu lassen, In diesen Tagen für den Bundesrat ein Leichtes.
— Gerhard Pfister 💙💛 (@gerhardpfister) March 29, 2023
Für einmal sind sich SP und SVP einig. Roger Köppel fragt sich, wie Keller-Sutter das Sparpaket gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern rechtfertigen würde.
AHV-Gelder kürzen, aber 209 Milliarden Staatsrückversicherung für die UBS. Bin gespannt, wie die Finanzministerin diese Politik den Schweizern erklärt. https://t.co/kx3aneyB42
— Roger Köppel (@KoeppelRoger) March 28, 2023
Der Bund will Strafanzeige erstatten
Am Mittwochnachmittag hat sich der Gesamtbundesrat mit dem Sparplan befasst und umfangreiche Massnahmen verabschiedet. Jedoch ist die 190-Millionen-Kürzung bei der AHV nicht enthalten. Hat Keller-Sutter eine Niederlage erlitten oder hat sie vom Antrag abgesehen? Beim Bund waren dazu keine Informationen erhältlich.
Der Bund will mit der Strafanzeige gegen die ihm unbekannten Urheber des Informationslecks vorgehen, das den AHV-Plan vorab publik werden liess. Das bestätigt Bundesratssprecher André Simonazzi gegenüber dem «Tagesanzeiger». Man verurteile die Indiskretion «in aller Deutlichkeit», betont Simonazzi. «Indiskretionen sind meist lückenhaft, teilweise falsch und in der Regel manipulativ. Sie schaden dem Ansehen des Bundesrats als Kollegium.»
Alles nur Mutmassungen (?)
Ist die AHV-Finanzierung nun betroffen oder nicht? Wir werden abwarten müssen. Bisher sind die Kürzungen der AHV aber nur Mutmassungen. Die FDP hat zu den Annahmen bisher noch keine Stellung genommen.
Die vorgeschlagenen Sparmassnahmen reichen laut Bundesrat aber nicht aus, um die erwarteten Defizite zu beseitigen. Spätestens ab 2025 dürfen deshalb weitere Kürzungen notwendig sein.
Das ist dem Bundesrat aber noch zu wenig. So soll der Bundesbeitrag an die Arbeitslosenversicherung (ALV) während fünf Jahren um jährlich 250 Millionen Franken gekürzt werden. Dies ist laut Bundesrat möglich, ohne Leistungen bei der ALV abzubauen, da der ALV-Fond geäufnet ist.
Mit einer Reform der Witwenrente soll der AHV-Fonds entlastet werden. Die soll bei der AHV jährliche Einsparungen von 500 Millionen und beim Bund solche von 100 Millionen Franken bringen. Witwen und Witwer sollen nur noch so lange Rente erhalten, bis das jüngste Kind 25 Jahre alt ist. Mit einer solchen Reform würde die Ungleichbehandlung von Witwer gegenüber Witwen beseitigt werden.
Auch der Anteil der Kantone an der direkten Bundessteuer soll um 200 Millionen Franken reduziert werden. Grund: Die im Parlament diskutierte Krippenfinanzierung von 800 Millionen Franken jährlich. Familienexterne Kinderbetreuung sei Aufgabe der Kantone. Weiter will der Bundesrat während drei Jahren 150 Millionen Franken weniger an die Finanzierung der Bahninfrastruktur zahlen.